ANDERSDENKEN – ein Projekt für Oberschüler:innen

mit Anna Faroqhi und Haim Peretz, initiiert von und durchgeführt in den Räumen der INSELGALERIE Berlin und Jugend im Museum e. V.

Jugendliche aus Friedrichshain-Kreuzberg sollen in der INSELGALERIE Kunst erleben, Raum für die eigene künstlerische Arbeit finden und am Ende des Projekts eine Ausstellung bekommen.

Die Zeichnerin und Filmemacherin Anna Faroqhi und ihr Mann, der Filmemacher Haim Peretz werden die künstlerische Leitung innehaben. Beide verfügen als Team über langjährige Erfahrungen in der pädagogischen und künstlerischen Arbeit mit Schüler:innen.

Grundlage der Workshops mit anschließender Ausstellung ist die Graphic Novel Andersdenkerinnen: Annäherungen an Helene Nathan, Anna Seghers und Hannah Arendt von Anna Faroqhi.

Die Autorin stellt darin eine Verbindung her zwischen den Schicksalen der drei bekannten historischen Persönlichkeiten und dem Leben Jugendlicher heute, deren Familien ebenfalls Diskriminierung, Verfolgung und Exil erlebt haben und noch erleben.

Im Buch nähern sich die Berliner Schüler:innen Robin, Chioma und Irit den Frauen des 20. Jahrhunderts an. Indem sie sich lesend auf die Lebenswege der Frauen einlassen, entdecken sie sich selbst und die eigene Familiengeschichte aus einer neuen Perspektive und finden den Mut für wichtige Entscheidungen.

https://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/andersdenkerinnen.html

In der Workshop-Reihe von Faroqhi/Peretz sollen die Frauenfiguren den Schüler:innen nahegebracht und ihre Erfahrungen emotional erlebbar gemacht werden.

Insgesamt sind sechs Workshops mit jeweils zirka zehn Schüler:innen geplant, wobei jeder Frauenfigur zwei Workshops gewidmet sind. Die Idee ist, auf diese Weise einer gesamten Klasse einen Workshop zu einer Persönlichkeit anbieten zu können, aufgeteilt in zwei Veranstaltungen. So kann ein intensiver, individueller Arbeits-Prozess in Gang kommen.

Jeder Workshop besteht aus zwei Teilen, einem Bildungsteil in der INSELGALERIE, in dem die Jugendlichen etwas über Leben und Wirken von Helene Nathan, Anna Seghers und Hannah Arendt anhand der Graphic Novel lernen. Die Schüler:innen werden selbst Teile der Graphic Novel vorlesen. Gemeinsam werden Seiten aus dem Buch betrachtet, die auf eine Leinwand projiziert werden.

Der zweite Teil des Workshops findet in der Werkstatt von Jugend im Museum e. V. statt. Dort zeichnen die Schüler:innen dann eigene Szenen, wobei ihnen freigestellt ist, ob sie bei der historischen Person bleiben oder eigene Szenen aus ihrem Alltag zeichnen.

(für Grundschüler oder Klasse 8)

Buchvorstellung, Gespräch: Helene Nathan war eine Bibliothekarin, die in den 1920er Jahren als eine der ersten Frauen in Deutschland eine leitende Position innehatte. Sie war sehr erfolgreich in ihrer Arbeit, bis sie 1933 als Jüdin und Sozialistin unter dem NS-Regime zwangsentlassen wurde. Eine Flucht gelang ihr nicht. Sie nahm sich 1943 das Leben. Die Stadtbibliothek in Neukölln trägt ihren Namen.

Die Schulklasse wird mit dem Lebenslauf Helene Nathans vertraut gemacht. Besonders wichtig ist hier der Aspekt der Frauenbildung. Auch der Aspekt der Entrechtung von als „anders“ betitelten Menschen kann Thema sein, wird auf das Niveau der Klasse angepasst.

 Workshop-Teil: Die Teilnehmenden erhalten Fotos mit Motiven aus der Zeit Helene Nathans. In zeichnerischer und inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Fotos erstellen sie eigene Mini-Graphic Novels zu thematischen Aspekten wie Mädchenbildung, Frauen im Studium, Arbeit in einer Bibliothek etc.

(für Klassen ab 8. Klasse)

Buchvorstellung, Gespräch: Anna Seghers war eine Schriftstellerin, die als Jüdin und Kommunistin aus Deutschland floh, kaum hatte das NS-System die Macht ergriffen. Sie erlebte eine dramatische Flucht aus Frankreich nach Mexiko, wo sie ein Zuhause fand, bis sie sich entschloss, in die neu gegründete DDR zu gehen und somit nach Deutschland zurückzukehren.

Anna Seghers‘ Geschichte lädt ein, über die Themen Flucht, politisches Handeln des Einzelnen, und den Versuch, nach der Flucht eine Heimat zu finden, zu reflektieren.

Es bietet sich auch an, ausgewählte Passagen aus Texten von Seghers, z.B. aus „Transit“ zu lesen.

Workshop-Teil: Die Teilnehmenden erstellen eigene Mini-Comics zu ausgewählten Passagen aus „Transit“. Es ist ihnen freigestellt, die historischen Bilder in gegenwärtige Situationen heutiger Fluchtbewegungen zu übertragen.

(für Klassen ab 10. Klasse oder Oberstufe)

Buchvorstellung, Gespräch: Hannah Arendt war eine Philosophin und Theoretikerin, die unmittelbar nach Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Frankreich und später in die USA floh. Dort fand sie ein Zuhause und machte eine Universitätskarriere, die ihr im Europa ihrer Zeit nie möglich gewesen wäre. Sie beschäftigte sich in ihren Werken häufig mit jüdischer Identität, kritisierte totalitäre Systeme, forderte ein handlungsorientiertes, soziales Denken und sah in den tausenden von Flüchtlingen aus Europa eine Chance für die Länder, in denen diese Schutz suchten.

Das komplexe Werk der Denkerin eröffnet vielfältige Möglichkeiten einer Erarbeitung. Auszüge aus dem Text „Wir Flüchtlinge“ von Hannah Arendt könnten einen Einstieg in die Arbeit Arendt bieten.

Workshop-Teil: Die Teilnehmenden sind eingeladen, Gedanken und möglicherweise sogar Theorien aus Texten von Hannah Arendt kurz, prägnant und witzig in Bildform umzusetzen.


Nach den Workshops werden die Zeichnungen der Schüler:innen in der INSELGALERIE in der Sonderschau ANDERSDENKEN präsentiert. Es wird eine Vernissage geben, zu der Freund:innen und Familien der Jugendlichen eingeladen sind. Anschließend bleibt die Ausstellung zwei Tage lang für alle geöffnet.


Den Zeitraum für die Workshops haben wir so gewählt, dass die Jugendlichen eine Ausstellung in der INSELGALERIE betrachten können. Wir möchten uns mit ihnen über ihre Eindrücke zu den Kunstwerken austauschen. Sie können ausgewählte Arbeiten abzeichnen. Sie erfahren etwas über die Arbeit einer Galerie.

Die Sonderschau ANDERSDENKEN mit den Zeichnungen der Schüler:innen wird dann zwischen zwei regulären Ausstellungen der Galerie gezeigt. Die Jugendlichen „besetzen“ die leere Galerie für drei Tage.

Der dreistündige Workshop wird durch den Weg von der Galerie in die Werkstatt auf angenehme Weise unterbrochen. Die Räume wechseln. Langeweile kommt nicht auf.

Zuallererst möchten wir den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich zeichnend auszudrücken. Sie sollen den Wert künstlerischen Schaffens für ihre eigene Suche entdecken, erleben, wie identitätsstiftend es ist, künstlerisch tätig zu sein und Kunst zu betrachten.

Ihre Lesekompetenz wird gefordert. Bestenfalls lesen sie anschließend weiter, entdecken andere neue Bücher. Wir möchten die Graphic Novel „Anders-denkerinnen“ von Anna Faroqhi allen teilnehmenden Schüler:innen zum symbolischen Preis von 3 Euro bereitstellen.

Angesichts des Hamas-Massakers in Israel und des grausamen Vergeltungs-krieges im Gaza-Streifen hat das Thema „Holocaust“ eine weitere Schreckens-Dimension in den Debatten bekommen. Wir denken, dass die Erfahrungen der drei Jüdinnen Gelegenheit geben, sich über Antisemitismus sowie die Geschichte Israels und Palästinas auszutauschen. Das Projekt soll eine Plattform für die Erzählungen und Fragen der Schüler:innen sein.

Bitte beachten Sie, dass erst im Januar vom Kulturamt Friedrichshain-Kreuzberg über die Finanzierung des Projekts entschieden wird. Bis dahin steht die Durchführung unter Vorbehalt.

Visualisierungen
(Die Fotos stammen aus vorangegangenen Projekten von Anna Faroqhi und Haim Peretz.)

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